Die Bestattung von Menschen findet in Mitteleuropa hauptsächlich im Erdreich statt. Das Interesse am Studium der hierbei ablaufenden postmortalen Zersetzung hat bereits eine lange Tradition. Untersuchungen hierzu erfolgten bevorzugt unter forensischen Gesichtspunkten, so zur Bestimmung des Todeszeitpunktes und der Todesursache an Leichen aus Erdgräbern. Dabei überwiegen jedoch fast ausschließlich kasuistische Mitteilungen ohne das Medium, in dem die Zersetzung ablief, näher zu charakterisieren. Dies wäre jedoch zur exakten Aussage bezüglich des Todeszeitpunktes speziell bei Variationen der Leichenzersetzung trotz vergleichbarer Liegezeiten im Erdreich von Wichtigkeit.
In diesem Kontext interessieren wir uns besonders für den Einfluss standortspezifischer Eigenschaften auf die Zersetzung erdgelagerter menschlicher Überreste. Die postmortale Veränderung, die über die zeitlich nicht streng voneinander abgrenzbaren Phasen und Prozesse der Autolyse, Hämolyse, Fäulnis und Verwesung abläuft, endet mit der Skelettierung des Leichnams. Der Zeitraum zwischen Todeszeitpunkt und Skelettierung beträgt im Erdgrab unter günstigen Bedingungen 3-12 Jahre. Während der postmortalen Veränderung gelangen Dekompositionsprodukte in das umgebene Erdreich, werden dort angereichert, ggf. chemisch verändert oder mit dem Sickerwasser verlagert. Diese Verbindungen können als Biomarker verwendet werden, die eine niedrige Konzentration im unveränderten Boden aufweisen sollten, eine lange Verweilzeit vorzeigen und in ihrer ursprünglichen chemischen Struktur erhalten bleiben. Jüngere Studien an Schweinekadavern zeigen, dass einige Abbauprodukte (z.B. Fettsäuren) selbst nach einer kurzen Liegezeit im Boden nachweisbar sind. Durch den Nachweis dieser Verbindungen in Bodenproben von leergeräumten Erdgräbern, können diese als Ort der vorübergehenden Zersetzung identifiziert werden. Ein Schwerpunkt unserer Forschung stellt die Untersuchung typischer Biomarker der Zersetzung, Entwicklung von Analysemethoden zur Quantifizierung dieser und die Interpretation der Wechselwirkungen zwischen Dekompositionsprodukten und Böden dar.
Die Zersetzung kann jedoch auch erheblich verzögert werden oder zu einem scheinbaren Stillstand kommen, wenn bereits im frühen Stadium der Fäulnis standortbedingte Prozessstörungen auftreten. Wichtigste Sonderform der späten Leichenveränderung ist die Bildung von Leichenlipid (Adipocire, sog. Fettwachs) durch Umwandlung der Weichteile in eine ‚panzerartige‘ feste und beständige Masse. Tritt diese Dekompositionshemmung auf, ist die Rekonstruktion der Todeszeit praktisch unmöglich. Während die Prozesse der Lipidbildung als aufgeklärt gelten, herrscht Unklarheit welche äußeren Einflussfaktoren die Bildung von Adipocire steuern. Häufig wird angegeben, dass neben leichenspezifischen Eigenschaften und Beisetzungsart, insbesondere der Boden durch seine Eigenschaften (z.B. anaerobes Milieu, Anwesenheit von Ca2+ und Mg2+) die Zersetzungsrate steuert, obwohl der eigentliche Zersetzungsprozess primär unabhängig vom Boden ist. Unsere Untersuchungen sollen dazu beitragen, die Bildung sowie den Abbau von Adipocire im Zusammenhang variierender Bodeneigenschaften besser als bislang zu verstehen.
Erdgrab mit der Bildung von Adipocire (Foto: B. von der Lühe)
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Leitung: Prof. Dr. Sabine Fiedler
Mitarbeiterin: Barbara von der Lühe
Kooperationen:
Prof. Dr. Lorna Dawson und Dr. Robert Mayes (James Hutton Institute, Aberdeen, Vereinigtes Königreich)
Prof. Dr. Mathias Graw (Institut für Rechtsmedizin, Technische Universität München)
Prof. Dr. Shari Forbes (University of Technology, Sydney, Australien)
Ausgewählte Publikationen:
Fiedler, S., Breuer, J., Pusch, C. M., Holley, S., Wahl, J., Ingwersen, J., Graw, M. (2012): Graveyards – Special landfills. The Science of the Total Environment 419: 90-97. https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2011.12.007
Fiedler, S., Berger, J., Stahr, K., Graw. M. (2009): Localisation of a mass grave from the Nazi Era – a case study. In: Criminal and Environmental Soil Forensics. Edited by K. Ritz, L. Dawson, D. Miller. Springer-Verlag, Berlin, New York, pp. 303-314. ISBN 978-1-4020-9204-6
Fiedler, S., Berger, J., Illich, B., Graw, M. (2009): The effectiveness of ground-penetrating radar survey to locate unmarked burial sites on modern cemeteries. Journal of Applied Geophysics 68: 380-385. https://doi.org/10.1016/j.jappgeo.2009.03.003
Fiedler, S., Buegger, F., Klaubert, B., Zipp, K., Dohrmann, R., Witteyer, M., Zarei, M., Graw, M. (2009). Adipocere withstands 1,600 years of fluctuating groundwater levels in soil. Journal of Archaeological Science 36: 1328-1333. https://doi.org/10.1016/j.jas.2009.01.017
Fiedler, S., Schneckenberger, K., Graw, M. (2004): Characterization of soils containing adipocere. Archives of Environmental Contamination and Toxicology 47(4): 561-568. https://doi.org/10.1007/s00244-004-3237-4
Fiedler, S., Graw, M. (2003): Decomposition of buried corpses, with special references to the formation of adipocere. Naturwissenschaften 90: 291-300. https://doi.org/10.1007/s00114-003-0437-0